Wieviel "queere Scham" steckt in uns, Daniel Schreiber? - queer.de

2021-12-30 13:59:17 By : Ms. isabel Liu

Im neuen QUEERKRAM-Podcast spricht Johannes Kram mit dem Bestseller-Autor über sein neues Buch "Allein", Sucht in der LGBTI-Community, sexuelle und emotionale Anorexie und warum Alice Weidel zur Rechenschaft gezogen werden muss.

Podigee-Direktlink, mp3, iTunes, Spotify, Deezer | Die 26. Folge (61 Minuten). Der Podcast lässt sich auch in allen großen Podcast-Portalen und Apps abspielen Datenschutz-Einstellungen | Info / Hilfe

Sein Essayband "Allein" steht auf Platz elf der "Spiegel"-Bestsellerliste, die Tendenz geht nach oben. Mit seinem bislang queersten Buch, erschienen Ende September bei Hanser Berlin, erreicht Daniel Schreiber ein großes Publikum weit über die LGBTI-Community hinaus. Es geht um das "Spannungsverhältnis zwischen dem Wunsch nach Rückzug und Freiheit und dem nach Nähe, Liebe und Gemeinschaft", heißt es in der Verlagsankündigung. Vor allem geht es um das sogenannte Alleinsein, das Leben ohne feste Partnerschaft. Obwohl er die Promo-Phase nach Erscheinen des Buches ziemlich anstrengend findet und er nach eigener Aussage sogar Angst hat, etwas Falsches zu sagen, hat sich Schreiber Zeit für einen Besuch im QUEERKRAM-Studio von Johannes Kram genommen. Und das war auch gut so: Die 26. Podcast-Folge bietet eines der intensivsten und spannendsten Gespräche, einen sehr persönlichen Blick auf Themen, die für queere Meschen existentiell sind.

Die tief verinnerlichte "queere Scham"

"Ich schreibe nicht über mich, sondern über blinde Flecken in der Gesellschaft", sagt Daniel Schreiber. In seinem Essay "Nüchtern" (2014) beschäftigte sich der 1977 geborene Berliner Autor mit dem Thema Sucht, im Nachfolger "Zuhause" (2017) beschrieb er seine Misshandlung als queerer Junge in der DDR.

Ein zentrales Thema in "Allein" ist nun die tief verinnerlichte "queere Scham", die das Aufwachsen in einer homo- und transfeindlichen Gesellschaft mit sich bringe, die oft nicht erkannt und verdrängt werde. "Es ist schwerer, mit schwulen Männern über queere Scham zu reden als mit Heteros", sagt Schreiber im Podcast. Die Abwehrmechanismen seien groß. Doch die Erfahrung von Ausgrenzung und die dadurch hervorgerufenen Gefühle gehörten zur eigenen Person, stellt er klar. "Es ist eine Frage von Selbstakzeptanz, dass wir alle guten und schlechten Seiten, die man hat, hinzunehmen lernen und versuchen, damit umzugehen."

Sind diese Fragen nicht zu queer für ein hetero Publikum, will Johannes Kram wissen. Und ob der Verlag bei diesem Kapitel eingreifen wollte. Nein, sagt Daniel Schreiber. Nur Authentizität schaffe Erkenntnisgewinn. "Ich glaube nicht, dass man mehr Bücher verkauft, wenn man sich verstellt." In dem intellektuell brillanten Podcast geht es außerdem um sexuelle und emotionale Anorexie und in diesem Zusammenhang um den Zwang, als Schwuler in einer Beziehung zu leben oder mit vielen Männern zu schlafen. Außerdem um die Notwendigkeit, sich von unrealistischen Träumen zu verabschieden, um sogenannte Identitätspolitik und rechtsextreme "Kommunikationsfallen", in die auch linkliberale Menschen hineinstolperten. Ohne ihren Namen zu erwähnen, fordert Schreiber im Gespräch mit Kram dazu auf, AfD-Chefin Alice Weidel zur Rechenschaft zu ziehen. "Ich habe überhaupt kein Verständnis für diesen Zynismus und diese Heuchelei, privat die Vielfalt dieser Gesellschaft, die Demokratie dieser Gesellschaft, die Menschenrechte dieser Gesellschaft zu genießen und davon zu profitieren und öffentlich alles dafür zu tun, all diese Sachen zu zerstören." Trotz viel schwerer Kost gibt sich der Mittvierziger im Podcast aber auch hoffnungsvoll: "Eine ganz zentrale Erfahrung meines queeren Lebens ist, dass Dinge wirklich besser geworden sind."

Zu Gast bei QUEERKRAM Folge 1 mit Falk Richter und Jonas Dassler: Warum sich Schauspieler outen sollten Folge 2 mit Anastasia Biefang: Warum das Transsexuellengesetz auf den "Müllhaufen der Geschichte" gehört Folge 3 mit Ralf König: Warum Ralf König genug vom "Gezicke in sozialen Medien" hat Folge 4 mit Stephanie Kuhnen und Juliane Löffler: Wie viel kreatives Potenzial steckt in der Corona-Krise? Folge 4 mit Georg Uecker: Warum gibt es so viel Häme auch in der Community? Folge 6 mit Ines Pohl: Outest du dich im Interview mit Homohassern, Ines Pohl? Folge 7 mit Patrick Lindner: Warum Patrick Lindner auf dem CSD singen muss! Folge 8 mit Pierre Sanoussi-Bliss: "Dass mein Leben auch zählt, müssen mir Weiße nicht sagen" Folge 9 mit Annie Heger: "Ich werde als Christin von der LGBT-Community mehr angefeindet als andersrum" Folge 10 mit Aminata Touré und Tessa Ganserer: "Zwischen Queerfeindlichkeit und Rassismus gibt es Parallelen" Folge 11 mit Riccardo Simonetti: Warum wir auf unser "Anderssein" stolz sein können! Folge 12 mit Sookee: "Eine rassistisch agierende Community kann sich erneuern" Folge 13 mit Linus Giese: "Trans Menschen müssen nicht ihre Existenz erklären" Folge 14 mit Kevin Kühnert: Warum schweigt die Politik zum Mord in Dresden, Kevin Kühnert? Folge 15 mit Manuela Kay: "Die Berliner Szene kann die Pest sein" Folge 16 mit Kristina Marlen: "So offen hat sich die Fratze der heteronormativen Ordnung selten gezeigt" Folge 17 mit Klaus Lederer: Klaus Lederer: Wie er Wowereit mit "sanftem Druck" zur Gleichstellung drängte Folge 18 mit Karin Hanczewski und Godehard Giese: 3 Wochen #ActOut: Karin Hanczewski und Godehard Giese ziehen Bilanz Folge 19 mit Julian F. M. Stoeckel: "Wir durften bei RTL so sein, wie wir sind" Folge 20 mit Jens Brandenburg: "Auch die Grünen könnten noch LGBT-freundlicher werden" Folge 21 mit Sigrid Grajek: "Die Revolutionäre von gestern sind die Konservativen von heute" Folge 22 mit Benjamin Gutsche und Nataly Kudiabor: "All you need": Warum spielen vier Heteros die Hauptrollen? Folge 23 mit Seyran Ateş: Wie gelingt die sexuelle Revolution des Islam, Seyran Ateş? Folge 24 mit Jochen Schropp: "Ich bin ein Mensch mit Haltung und will gewisse Sachen im Fernsehen nicht sehen" Folge 25 mit Kerstin Polte: "Scheiß auf diese ganzen binären Quatschsysteme"

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