Warum Tattoos keine Bedeutung haben müssen - Meinung

2021-12-14 18:08:25 By : Ms. Betty Lin

Von Anna-Lena Osterburg | 01. Dezember 2021, 05:34 Uhr

Für viele Tätowierer ein Muss, für unsere Redakteurin Anna-Lena ein längst überholtes Konzept: eine tiefe Bedeutung hinter permanenter Körperkunst. Warum sie nicht so viel von bedeutungsgeladenen Motiven hält und sich lieber ohne tieferen Sinn tätowieren lässt – ein Erklärungsversuch.

Bis vor gut zwei Jahren hatte ich keine Tattoos, jetzt zieren acht mehr oder weniger große Motive meine Arme – Tendenz steigend. Von One-Line-Gesichtern über ein Augenpaar bis hin zur obligatorischen Fineline-Linie ist alles dabei. Tatsächlich hat nur eines meiner Tattoos eine persönliche Bedeutung, mein erstes. Und genau von dort kam ich für meine Überzeugung, dass Tattoos ohne große Botschaft die bessere Wahl sind – zumindest für mich.

Mein erstes Tattoo finde ich immer noch schön, aber im direkten Vergleich mit meinen anderen (sinnloseren) Motiven gefällt es mir mit Abstand am wenigsten. Nicht, weil ich die Bilder auf oder unter der Haut generell schnell satt habe, sondern weil ich das Tattoo von Anfang an nicht so fesselnd fand wie alle, die es verfolgt haben. Der Grund dafür ist einfach: Ich war damals fest davon überzeugt, dass Tattoos einen Bezug zu meinem Privatleben haben müssen, eine Bedeutung. Ich dachte, wenn mich jemand nach dem Warum hinter meiner Körperkunst fragt, sollte ich eine schlüssige Antwort haben. Das Aussehen: zweitrangig. Ich wusste lange nicht, welche Botschaft oder welches Erlebnis ich in mein erstes Tattoo packen sollte. Deshalb habe ich 24 Jahre gebraucht, um zum ersten Mal ein Tattoo-Studio zu betreten – obwohl ich es gerne schon viel früher getan hätte. Und deshalb habe ich mir etwas tätowieren lassen, mit dem ich etwas gemeinsam hatte, was aber stilistisch nicht meine erste Wahl gewesen wäre: ein stilisiertes Riesenrad in einer Art Mandala-Stil.

Zugegeben, hinter dem Tattoo steckt keine extrem tiefgreifende Bedeutung. Es ist nur eine schöne Erinnerung an die unzähligen Festivals, die ich vor der Corona-Pandemie besucht habe. Das Riesenrad war das verbindende Element bei allen Veranstaltungen. Grund genug, dachte ich Mitte 2019, als mir spontan ein Termin bei einem bekannten Tätowierer in Berlin angeboten wurde. Nach weniger als einer Stunde hatte ich das Thema unter der Haut. Und mit dem ersten Blick in den Spiegel war meine Hemmung beim Tätowieren und dieser abstrakte Bedeutungsdruck dahinter wie weggeblasen. Irgendwie war das Ganze keine so spektakuläre, lebensverändernde Entscheidung, wie ich es mir vorher vorgestellt hatte. Es war nur ein kleines Bild an meinem Körper, das ich innerhalb von Minuten als natürlichen Teil meines Aussehens akzeptierte.

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Um dieses Wissen reicher, ärgerte ich mich nur, dass ich nicht schon früher mit dem Tätowieren angefangen hatte. Und dass ich kein Motiv bekommen habe, das meine Ästhetik und mich zu 100 Prozent widerspiegelt. Am liebsten hätte ich mir also zwei große Augen auf den Armen gemacht. Einfach weil ich es schön fand. Bis zu meinem ersten Tattoo-Termin kam mir die Idee als unsinnig vor – aus Angst, die Entscheidung nicht ausreichend begründen zu können und sie daher irgendwann zu bereuen. Mittlerweile empfinde ich genau diesen Gedanken als falsch, denn: Eine tiefe Tattoo-Bedeutung ist sicherlich keine Garantie dafür, dass das Motiv für immer gemocht wird – jedenfalls nicht, wenn man nur wegen der Botschaft einen Kompromiss macht. Mein einziger Anspruch an ein Tattoo-Motiv ist jetzt "nur" die Optik und mit dieser Einstellung bin ich bisher gut gefahren.

Natürlich gibt es in meinem Freundeskreis immer wieder kritische Stimmen, die nicht glauben können, dass ich mein Äußeres - in ihren Augen - so radikal ändere, ohne groß darüber nachzudenken. Glücklicherweise kann ich solche (unaufgeforderten) Meinungen ignorieren. Für mich sind die Motive unter meiner Haut letztlich eine Art Selbstverwirklichung und das betrifft – wie meine restliche Optik – nur mich. Wie auch immer, ich denke, wir sollten uns und unser Aussehen nicht immer zu ernst nehmen. Natürlich sollte man sich vorab über ein Tattoo Gedanken machen und grob recherchieren, wofür welches Motiv steht, um keine Falschmeldungen zu versenden. Sie sollten sich auch bewusst sein, dass die Haut für immer mit einer Tätowierung gekennzeichnet ist. Aber am Ende bleibt nichts als ein bisschen Farbe unter der Haut. Keine große Sache und definitiv kein Grund, sich jahrelang den Kopf zu zerbrechen.

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Abschließend noch ein Punkt für alle, die ich mit meinen Argumenten bisher nicht überzeugen konnte: Ganz bedeutungslos sind meine Tattoos trotz allem nicht. Obwohl in meinem Fall keine wirkliche Absicht dahinter steckt, sagt jedes Symbol etwas aus – aber das ist Interpretationssache und steht für mich nicht im Fokus. Vielmehr verbinde ich jedes einzelne Motiv mit meiner bisherigen Zeit in Berlin, mit der Zeit, in der ich es gravieren ließ. Mit einem Lebensgefühl und einem Lebensstil, den ich damals kultivierte. Und ich bin mir sicher, dass ich meine Tattoos deshalb noch lange lieben werde. Bisher bereue ich zumindest keinen von ihnen, im Gegenteil.

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