Intelligente Wundversorgung - Medtech Zwo

2022-04-21 08:07:59 By : Mr. FU HONGYU

Forscher der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa arbeiten an einem Verband, der die Wunde darunter mit notwendigen Medikamenten versorgt, aber erst, wenn eine Wundinfektion beginnt.

Die Wissenschaftler um Qun Ren und Fei Pan entwickeln Polymerfasern, die weich werden, sobald sich die Umgebung aufgrund einer Infektion erwärmt, und dann ein keimtötendes Mittel abgeben. Da es sich in den meisten Fällen nicht abschätzen lässt, wie der Heilungsprozess verlaufen wird, ob es zu einer Wundinfektion kommt oder nicht, werden oft vorbeugend desinfizierende Salben oder Antibiotika aufgetragen, bevor der Verband angelegt wird, obwohl das in vielen Fällen gar nicht notwendig ist.

Dieser Umgang mit Antibiotika fördert die Entstehung von multiresistenten Keimen, die ein immenses Problem der globalen Gesundheitsversorgung darstellen. Die Wissenschaftler der beiden Empa-Labore „Biointerfaces“ und „Biomimetic Membranes and Textiles“ in St. Gallen wollen dies ändern. Sie entwickeln einen Verband, der selbständig nur dann antibakterielle Medikamente verabreicht, wenn sie auch wirklich benötigt werden.

Die Idee des interdisziplinären Teams um Qun Ren und Fei Pan: Der Verband sollte mit Medikamenten „beladen“ sein und zudem auf Umweltreize reagieren. „Auf diese Weise könnten Wunden präzise und im richtigen Moment behandelt werden“, so Fei Pan. Als Umweltreiz suchte sich das Team einen bekannten Effekt aus: den Temperaturanstieg in einer infizierten, entzündeten Wunde.

Hautverträglicher Polymer-Verbundstoff aus Acrylglas und Eudragit Nun hieß es für das Team, ein Material zu designen, das auf diesen Temperaturanstieg passend reagieren würde. Hierzu wurde ein hautverträglicher Polymer-Verbundstoff aus mehreren Komponenten entwickelt: Acrylglas (Polymethylmethacrylat, kurz PMMA), das beispielsweise für Brillengläser und in der Textilindustrie verwendet wird, und Eudragit, ein bioverträgliches Polymergemisch, mit dem beispielsweise Tabletten überzogen werden. Mittels Elektrospinnen ließ sich das Kunststoffgemisch zu einer feinen Membran aus Nanofasern verarbeiten. Als medizinisch wirksame Komponente konnte schließlich Octenidin in die Nanofasern eingekapselt werden, ein Desinfektionsmittel, das schnell gegen Bakterien, Pilze und manche Viren wirkt. In der Medizin kann es auf der Haut, auf Schleimhäuten und zur Wunddesinfektion verwendet werden. „Damit die Membran als ‚smarter Verband‘ wirkt und das Desinfektionsmittel auch tatsächlich freisetzt, wenn sich die Wunde aufgrund einer Infektion erwärmt, haben wir das Polymergemisch aus PMMA und Eudragit so zusammengestellt, dass wir die Glasübergangstemperatur passend einstellen konnten“, sagt Empa-Forscher Fei Pan. Dabei handelt es sich um die Temperatur, bei der ein Kunststoff von einer festen Konsistenz in einen gummiartigen, zähen Zustand wechselt. Bildlich beschrieben wird der Effekt gerne in umgekehrter Weise: Legt man einen Gummihandschuh in flüssigen Stickstoff bei minus 196 Grad, ändert er seine Konsistenz und wird so hart, dass man ihn mit einem Schlag wie Glas zersplittern lassen kann. Die gewünschte Glasübergangstemperatur der Polymermembran hingegen lag im Bereich von 37 Grad. Wenn eine Entzündung vorliegt und sich die Haut über ihre normale Temperatur von 32 bis 34 Grad hinaus erwärmt, wechselt das Polymer von seinem festen in einen weicheren Zustand. In Laborexperimenten konnte das Team beobachten, wie das Desinfektionsmittel bei 37 Grad aus dem Polymer freigesetzt wird, nicht jedoch bei 32 Grad. Ein weiterer Vorteil: Der Prozess ist reversibel und kann bis zu fünf Mal wiederholt werden, da sich der Vorgang bei Abkühlung immer wieder von selbst „abschaltet“. Nach diesen erfolgreichen Tests fehlt nun noch das Feintuning des Effekts. Statt eines Temperaturbereichs von vier bis fünf Grad soll der smarte Verband sich dann bereits bei kleineren Temperaturunterschieden an- und abschalten. Smart und schonungslos Um die Wirksamkeit der Nanofaser-Membranen gegenüber Wundkeimen zu untersuchen, stehen weitere Laborexperimente an. Teamleiterin Qun Ren befasst sich seit Langem mit Keimen, die sich in den Grenzschichten zwischen Oberflächen und der Umwelt einnisten, wie etwa auf einer Hautwunde. „In diesem biologischen Setting, einer Art Niemandsland zwischen Körper und Verbandsmaterial, finden Bakterien eine perfekte biologische Nische“, so die Empa-Forscherin. Infektionserreger wie Staphylokokken oder Pseudomonas-Bakterien können hier schwere Wundheilungsstörungen verursachen. Genau diese Wundkeime ließ das Team in der Petrischale Bekanntschaft mit dem smarten Verband machen. Und tatsächlich: Die Zahl der Bakterien verringerte sich um den Faktor 1.000, wenn Octenidin aus dem Verband freigesetzt wurde. „Mit Octenidin ist uns ein ‚Proof of Principle‘ für die kontrollierte Medikamentenfreisetzung durch einen externen Reiz gelungen“, so Qun Ren. Künftig lasse sich die Technologie auch für andere Arten von Medikamenten einsetzen, wodurch die Effizienz und Präzision bei deren Dosierung gesteigert werden könnte. Damit bakterielle Infektionen direkt in der Wunde bekämpft werden können, arbeiten die Forscher zudem an einem Polymerschaum, der mit entzündungshemmenden Substanzen beladen ist und an einer hautfreundlichen Membran aus Pflanzenmaterial. Die Cellulose-Membran ist mit antimikrobiellen Eiweißbausteinen ausgestattet und tötet in Labortests Bakterien äußerst effizient ab. Zudem kann die Digitalisierung bei der Wundversorgung sparsamere und effizientere Dosierungen erreichen: Empa-Forscher entwickeln digitale Zwillinge der Haut, die die Steuerung und Vorhersage des Therapieverlaufs mittels Modellierung in Echtzeit erlauben.

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