Damit die Wunde besser heilt

2022-07-23 10:16:01 By : Ms. April -DC Silicone

Projekt von AOK und KV Bremen soll Chroniker-Versorgung verbessern.

Projekt von AOK und KV Bremen soll Chroniker-Versorgung verbessern.

Die Wunde am Fuß wächst nicht zu: Alle paar Tage ist der 53-Jährige Patient bei seinem Hausarzt, lässt die nässende, vier Zentimeter große und schmerzende Stelle immer wieder neu verbinden, doch besser wird seine Situation über viele Wochen nicht. Solche Krankengeschichten sind nicht selten, denn die Therapie von chronischen Wunden wird oft unterschätzt, unzureichend ausgeführt oder schlecht koordiniert.

Deshalb hat die AOK Bremen/Bremerhaven jetzt gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bremen und dem Unternehmen IVP Networks das Projekt „IP Wunde“ aus der Taufe gehoben. „Infrastruktur und Prozesse für optimierte Versorgung von Patienten mit chronischen Wunden– dezentral und regelversorgungsnah in Bremen“, so der vollständige Projektname, soll Patienten mit chronischen Wunden helfen.

Sechs auf die Wundversorgung spezialisierte Arztpraxen – zwei davon in Bremerhaven – sind in das Projekt bereits eingebunden. Seit dem 1. Juli können sich nun auch Hausärzte, Internisten, Hautärzte, Chirurgen, Gynäkologen, Orthopäden oder Diabetes-Experten daran beteiligen und mit den Wundspezialisten ein Ärzte-Netzwerk für dieses Thema bilden.

Einer der Wundspezialisten ist der Bremerhavener Chirurg Dr. Geert-Henning Marencke: „Die richtigen Wundauflagen, Verbände und Pflaster sind nicht der wichtigste Baustein bei dieser Behandlung“, betont er, „viel wichtiger ist, die genaue Ursache der chronischen Wunde zu ermitteln“. Darum sei die Zusammenarbeit der Ärzte so wichtig – und dass die behandelnden Hausärzte ihre Patienten im Netzwerk vorstellen und den Fall besprechen. Wenn zum Beispiel eine Durchblutungsstörung der Haut und der darunterliegenden Muskeln vorliegt, dann muss erst dieses Problem beseitigt werden, bevor die Wunde erfolgreich behandelt werden kann.

Chronische Wunden heilen nicht nur schwer, sie verursachen auch ständige, wundbedingte Schmerzen, führen zu Komplikationen wie Entzündungen und schränken damit die Lebensqualität der Patienten erheblich ein. In Deutschland leben einer Schätzung zufolge 2,5 Millionen Menschen mit chronischen Wunden, die zum Beispiel an einem „offenen Bein“, an einem diabetischen Fußsyndrom oder einem Druckgeschwür leiden. Meist sind das ältere Menschen, deren Grunderkrankung wie zum Beispiel Diabetes eine gute Wundheilung behindert. Im Stadtstaat Bremen sind das etwa 25.000 Menschen.

„Uns ist bewusst, dass die Wundversorgung insgesamt nicht so funktioniert, wie es sein könnte und sein muss“, so AOK-Vorstandschef Olaf Woggan. Deshalb fördere die AOK Bremen/Bremerhaven bereits seit Jahren die Weiterbildung von Ärzten und Praxismitarbeitern im Wundmanagement, und versuche jetzt, auch die Versorgung mit Hilfe von „IP Wunde“ konkret und messbar zu verbessern. Das Kompetenzzentrum für Klinische Studien an der Universität Bremen hat die wissenschaftliche Begleitung des Projektes übernommen.

Ein wichtiger Baustein ist dabei eine digitale Wundfallakte, welche als gemeinsame Behandlungsplattform fungiert und in der alle zur Diagnostik und Therapie notwendigen Daten der jeweiligen Patienten gespeichert werden. Die am IP-Wunde-Netzwerk beteiligten Mediziner können jederzeit darauf dann zugreifen und ihre Expertise einbringen. Dazu müssen sie sich und ihre Patienten für das Projekt anmelden. Die Patienten werden dann je nach Fall alleine von den Wundexperten oder gemeinsam mit den Hausärzten behandelt.

Ziel ist dabei, Wundschmerzen, Heilungsdauer und die Gefahr von Komplikationen bei den Betroffenen deutlich zu verringern und so ihre Lebensqualität wieder zu verbessern. Es geht aber auch darum, Abläufe und Strukturen im Gesundheitswesen zu verändern – damit ein Patient eben nicht mehr wegen einer Wunde alle paar Tage zum Arzt gehen muss. Das Projekt wird auch aus diesem Grund vom Innovationsfonds im Gesundheitswesen mit 5,5 Millionen Euro gefördert.

Ein spezielles Problem in der Wundversorgung ist, dass sich bundesweit verschiedene Hersteller von Pflastern und Wundauflagen darauf konzentriert haben, die Wundversorgung der Patienten für niedergelassene Mediziner komplett zu übernehmen. Eigentlich ist das eine Entlastung der Arztpraxen - nur: Die Hersteller haben auch ein Interesse daran, ihre Produkte zu verkaufen und so ihren Absatz zu steigern. Bei der Auswahl der passenden Wundverbände entstünden so immer wieder Interessenkonflikte, die oft nicht im Sinne der Patienten und seiner Wundheilung entschieden würden, hat die AOK beobachtet.

Ein Blick auf die Behandlungskosten von Menschen mit chronischen Wunden zeigt: von durchschnittlich 10.000 Euro pro Jahr und Patient entfallen 44 Prozent auf die Krankenhausbehandlung – vor allem bei Wundkomplikationen -, 48 Prozent aber auf die Kosten der Wundauflagen, Verbände und Pflaster. „Wir wollen die Versorgung chronischer Wunden mit diesem Projekt zurück in die Praxen holen“, betont KV-Sprecher Christoph Fox.

AOK-Vorstandschef Olaf Woggan unterstützt dieses Anliegen: „Viele Menschen mit chronischen Wunden leiden unnötig, sie müssen oft ins Krankenhaus, weil sich ihre Wunden entzünden – und sie büßen über Monate und Jahre viel Lebensqualität durch die ständigen Behandlungen ein.“ Diese Zustände grundlegend zu ändern, sei die zentrale Aufgabe des Projekts „IP Wunde“. (jh)

Weitere Informationen: www.ip-wunde.de