Ersthelfer im Betrieb: Wie viele sind Pflicht, was sind ihre Aufgaben? - dhz.net

2022-04-21 08:10:31 By : Mr. Andy Leon

Bei einem Notfall sind sie an vorderster Stelle: Ersthelfer im Betrieb. Doch welche Anzahl an Ersthelfern ist im Unternehmen Pflicht? Ab wann braucht es eine Auffrischung der Erste-Hilfe-Kenntnisse? Und ist die Ausbildung zum betrieblichen Ersthelfer freiwillig? Alle Antworten auf wichtige Fragen zum Ersthelfer im Betrieb.

"Ersthelfer im Betrieb leisten einen wichtigen Beitrag für ein sicheres und gesundes Arbeiten im Unternehmen", sagt Horst Reuchlein. Er ist Leiter des Fachbereichs Erste Hilfe bei der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). In Deutschland ist es für Arbeitgeber Pflicht, Maßnahmen zu treffen, die zur Ersten Hilfe erforderlich sind. Maßgeblich sind die Art der Arbeitsstätte, die Tätigkeiten und die Anzahl der Beschäftigten. Geregelt ist diese Pflicht im Arbeitsschutzgesetz (§ 10 ArbSchG).

Ab welcher Betriebsgröße und in welcher Anzahl sind Ersthelfer ist im Betrieb nötig? Welche Aufgaben haben sie? Wie oft ist eine Auffrischung des Erste-Hilfe-Kurses nötig? Hier sind Antworten auf diese und weitere Fragen:

Der Ersthelfer im Betrieb ist ein medizinischer Laie. Bei einem Arbeitsunfall oder einer plötzlich auftretenden Erkrankung im Unternehmen leistet er grundlegende Maßnahmen der Ersten Hilfe. Außerdem setzt er den Notruf ab. Beim betrieblichen Ersthelfer handelt es sich meist um einen Mitarbeiter. Der Ersthelfer muss eine Ausbildung in Form eines Erste-Hilfe-Kurses absolvieren.

"Im Unternehmen müssen betriebliche Ersthelfer in ausreichender Anzahl zur Verfügung stehen", erklärt DGUV -Experte Reuchlein. Geregelt ist dies im Arbeitsschutzgesetz und in der DGUV-Vorschrift 1 "Grundsätze der Prävention." Konkret heißt es hier:

Es ist nicht festgelegt, dass die im Unternehmen beschäftigten Versicherten den Ersthelfer stellen müssen. Die Aufgabe ist auch auf andere anwesende Personen übertragbar. Sind etwa mehrere Handwerksbetriebe auf einer Baustelle tätig, können sie sich beim Einsatz von Ersthelfern absprechen.

Oftmals sind Subunternehmer mit nur wenigen Beschäftigte am Bau beteiligt. Maßgeblich für die Anzahl an Ersthelfern auf der Baustelle sind aber alle anwesenden Beschäftigten. Es sollte deshalb unbedingt Sorge getragen werden, diese zu erreichen.

"Im Rahmen ihrer Unterstützungspflicht haben sich Versicherte zum Ersthelfer im Betrieb ausbilden zu lassen, soweit persönliche Gründe dem nicht entgegenstehen. Das können zum Beispiel körperliche und psychische Erkrankungen sein", erklärt Reuchlein.

Es sei förderlich, wenn Mitarbeiter sich freiwillig zum betrieblichen Ersthelfer ausbilden lassen. Die Ausbildung habe viele Vorteile: So dürfe nicht vergessen werden, dass Kenntnisse und Erfahrungen in Erster Hilfe auch im Privatleben wichtig und nützlich seien, zum Beispiel für mögliche Notfälle im familiären Umfeld oder im Sportverein, so der Fachbereichsleiter Erste Hilfe. Auch für Jugendliche, die ihren Führerschein machen, ist die Ausbildung nützlich.

"Vor allem müssen Ersthelfer bei einem Notfall einsatzbereit zur Stelle sein und Erste Hilfe leisten", sagt Reuchlein. Weitere Aufgaben von Ersthelfern im Betrieb:

"Diese Aufzeichnungen dienen als Nachweis, dass sich die Verletzung oder Erkrankung während der Arbeitszeit ereignete. Dies könnte wichtig sein, falls Spätfolgen eintreten sollten", erklärt Horst Reuchlein. Als weitere Aufgabe kann dem Ersthelfer die Kontrolle über das Erste-Hilfe-Material im Verbandskasten übertragen werden.

Wichtig: Die Dokumentationen zur Ersten Hilfe müssen mindestens fünf Jahre sowie vertraulich aufbewahrt werden. Folgende Punkte müssen dokumentiert werden:

Ersthelfer im Betrieb sind nicht befähigt

Solange Ersthelfer sachgerecht vorgehen, müssen sie nicht mit rechtlichen Konsequenzen rechnen, erklärt Reuchlein. Dies tun sie laut des Experten, wenn sie anwenden, was sie "in der Ersten-Hilfe-Ausbildung gelernt haben" und "nach bestem Wissen und Gewissen handeln".

Mehr Möglichkeiten hat der Betriebssanitäter. "Er ist umfangreicher und fundierter ausgebildet als der Ersthelfer und kann weitergehende Erste-Hilfe-Maßnahmen durchführen", erklärt Reuchlein. Die Pflicht zu einem Betriebssanitäter gilt ab einer deutlich höheren Anzahl an Beschäftigten – auf Baustellen liegt diese bei 100 anwesenden Versicherten.

Betriebliche Ersthelfer müssen sich in zertifizierten Ausbildungsstellen ausbilden lassen. Die Ausbildung dauert einen Tag und umfasst neun Einheiten Unterricht. Eine Einheit dauert 45 Minuten. Ab einer gewissen Teilnehmerzahl lassen sich Ersthelfende auch in einer Inhouse-Schulung im Unternehmen ausbilden.

Die Erste-Hilfe-Ausbildung umfasst einen theoretischen und einen praktischen Teil. Im Praxisteil üben die Teilnehmer das Gelernte zum Beispiel an Übungspuppen, sogenannten Phantomen. Im Erste-Hilfe-Kurs lernen Teilnehmer wie sie

Hat der Teilnehmer die Ausbildung erfolgreich abgeschlossen, erhält er eine Bescheinigung über die Teilnahme. Diese sollte er seinem Arbeitgeber als Bestätigung vorlegen.

Eine tagesaktuelle Liste von Ausbildungsstellen bietet die DGUV. Erste-Hilfe-Kurse werden zum Beispiel in Einrichtungen bekannter Hilfsorganisationen angeboten. (ASB, Rotes Kreuz, Johanniter Unfall Hilfe, DLRG oder Malteser Hilfsdienst.) Auch private Erste-Hilfe-Schulen bieten Kurse an.

Die Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs kostet derzeit pro Teilnehmer 34 Euro. Zusätzlich wird aktuell eine Pauschale von zwölf Euro pro Teilnehmer aufgrund der Corona-Pandemie erhoben. "Die Lehrgangsgebühren werden von den Unfallversicherungsträgern in Form von Pauschalgebühren getragen. Sie werden direkt mit den Ausbildungsstellen abgerechnet", erklärt Horst Reuchlein. Für Unternehmen und Kursteilnehmer fallen hier keine Kosten an.

Andere etwaige Kosten, zum Beispiel Fahrt- und Reisekosten, muss der Arbeitgeber übernehmen.

"In der Regel werden die Arbeitnehmer für die Teilnahme am Kurs freigestellt", erläutert Reuchlein. Der Besuch des Erste-Hilfe-Kurses zählt grundsätzlich als Arbeitszeit. Er wird im Allgemeinen als Arbeitsleistung für den Betrieb angesehen.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, im Betrieb ausreichend Erste-Hilfe-Material zur Verfügung zu stellen. Je nach Größe des Unternehmens ist dies zum Beispiel durch eine bestimmte Anzahl an kleinen und großen Verbandskästen möglich. Darüber hinaus muss der Arbeitgeber dafür sorgen, dass im Betrieb schnell Hilfe herbeigerufen werden kann. Im Unternehmen müssen ausreichend Meldeeinrichtungen für den Notruf vorhanden sein, zum Beispiel Telefone oder Notrufmelder. Ein Aushang, zum Beispiel in Form eines Erste-Hilfe-Plakates, ist Pflicht. Dieser Aushang hilft dem Ersthelfer im Betrieb sowie anderen Beschäftigten, sich bei einem Notfall schnell zu orientieren. Das Plakat muss unter anderem die Notruf-Nummer, den Aufbewahrungsort des Erste-Hilfe-Materials und die Anschrift des nächstgelegenen Krankenhauses enthalten. Die Namen der Ersthelfer im Betrieb sind zu vermerken.

Vorlagen für Erste-Hilfe-Plakate in mehreren Sprachen finden Arbeitgeber auf der Website der DGUV: Vorlage Erste-Hilfe-Plakat.

Ersthelfer brauchen geeignete Hilfsmittel, um (leicht) verletzten Personen schnell und sicher helfen zu können. Für Verbandskästen in Betrieben gibt es deshalb Normen. Geeignetes Erste-Hilfe-Material enthalten die Verbandskästen nach

Wichtig zu wissen: Zwei kleine Verbandskästen ersetzen einen großen Verbandskasten.

Neben den Verbandskästen in Betrieben gibt es auch einen KFZ-Verbandskasten, der ebenfalls normiert ist (DIN 13164). Ein KFZ-Verbandskasten ist im jedem Auto Pflicht.

Verbandskästen in Betrieben sind unter anderem mit folgenden Materialien bestückt (in einer fest definierten Anzahl):

Zum 1. November 2021 wurden die DIN-Normen 13157 und 13169 aktualisiert. Darauf weißt die DGUV hin. Das bedeutet, dass nun weitere Materialien in Verbandskästen Pflicht sind. Neu hinzugekommen sind:

Die DGUV empfiehlt Betrieben, die neuen Materialien bei der nächsten Überprüfung der vorhandenen Verbandskästen aufzunehmen. Komplett neue Verbandskästen müssen dementsprechend nicht angeschafft werden.

Hier finden Betriebe eine PDF-Liste mit allen Inhalten von Verbandskästen im Betrieb (die seit November 2021 neu hinzugekommenen Materialien sind gelb markiert): DGUV-Liste Erste-Hilfe-Material

In größeren Betrieben besteht die Pflicht, einen Erste-Hilfe-Raum einzurichten (in der Regel bei mehr als 1.000 beschäftigten Versicherten). Auf Baustellen gilt eine Sonderregelung: Hier ist ein Erste-Hilfe-Raum beziehungsweise Erste-Hilfe-Container ab 50 Versicherten verpflichtend (einschließlich Subunternehmer).

Um die Sicherheit auf Baustellen zu gewährleisten, gibt es Vorschriften, die erfüllt sein müssen. Ein Erste-Hilfe-Raum bzw. Erste-Hilfe-Container ist hier bereits bei mehr als 50 Beschäftigten – einschließlich Subunternehmern – Pflicht. Folgendes ist laut BG BAU bei der Organisation zu beachten:

Weitere Informationen zum Thema Erste-Hilfe-Einrichtungen auf der Baustelle finden Interessierte in einem PDF der BG BAU: Organisation der Ersten Hilfe.

Alle zwei Jahre sollen die Kenntnisse aus dem ersten Erste-Hilfe-Kurs in einer Fortbildung aufgefrischt werden. Dies ist ebenfalls in der DGUV Vorschrift 1 festgelegt. Die Fortbildung umfasst neun Einheiten an Unterricht. Sie kostet derzeit 34 Euro pro Teilnehmer. Inhaltlich ist die Fortbildung deutlicher an der Zielgruppe orientiert als die Erste-Hilfe-Ausbildung. Spezifisch auf die Zielgruppe zugeschnitten können dort weitere Maßnahmen vermittelt und die Bewältigung von Notfallsituationen trainiert werden. Außerdem werden die in der Grundausbildung erworbenen Kompetenzen gesichert.

Nach einer erfolgreich absolvierten Fortbildung erhält der Mitarbeiter eine Bescheinigung. Die Nachweise der absolvierten Erste-Hilfe-Kurse können eine Erinnerung für den Arbeitgeber sein. Es liegt in der Verantwortung des Chefs, dass der Ersthelfer alle zwei Jahre an der Fortbildung teilnimmt. Diese Frist sollte nicht überschritten werden.

Ein Unternehmer würde der DGUV-Vorschrift 1 zuwider handeln, wenn er es ablehnt, einen Mitarbeiter in der Ersten Hilfe auszubilden. Bildet ein Betrieb keinen Ersthelfer aus, erfüllt er den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit und damit die Voraussetzung für ein Bußgeld.

Gegebenenfalls kann es zu strafrechtlichen Konsequenzen kommen: etwa, wenn ein Arbeitnehmer gesundheitlichen Schaden erleidet oder stirbt, weil die Organisation mangelhaft ist oder es keine Erste-Hilfe-Einrichtungen gibt.

Aufgrund der Corona-Pandemie arbeiten viele Mitarbeiter im Homeoffice. Ändert sich die Bestimmungen in puncto Ersthelfer im Betrieb?

Die Grundversorgung bezüglich der Erste Hilfe muss in Corona-Zeiten sichergestellt sein. Auch wenn weniger Mitarbeiter im Betrieb sind, gilt es, die in der DGUV Vorschrift 1 festgelegte Mindestanzahl an Ersthelfern zu erreichen. Ist dies aufgrund der Corona-Situation nicht immer möglich gilt es "auch unter Einbeziehung der Gefährdungsbeurteilung der vorgegebenen Anzahl an Ersthelfenden möglichst nahezukommen", sagt Reuchlein.

Momentan sollten Ersthelfende bei der Ersten Hilfe zudem mehr auf ihren Eigenschutz achten. Um das Ansteckungsrisiko für sich und die hilfsbedürftige Person zu minimieren, sollten beide – falls möglich – einen Mund-Nasen-Schutz/eine Atemschutzmaske tragen. Der Ersthelfer im Betrieb muss in jedem Fall Einmalhandschuhe und gegebenenfalls eine Schutzbrille tragen. Nach der Erste-Hilfe-Leistung sind die Hände gründlich zu waschen und zu desinfizieren.

Worauf Ersthelfer im Betrieb in Corona-Zeiten außerdem achten müssen, fasst die DGUV in Handlungshilfen zusammen:

Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssen beim Thema Erste Hilfe im Betrieb viel beachten. Grundsätzlich besteht eine Pflicht einen betrieblichen Ersthelfer auszubilden. Sie ist etwa abhängig von der Größe des Unternehmens. Empfohlen ist, dass Mitarbeiter sich freiwillig zum Ersthelfer im Betrieb ausbilden lassen. Die Ausbildung erfolgt in Form eines Erste-Hilfe-Kurses. Hier lernt der Teilnehmer sich zu schützen, wie er bei einem medizinischem Notfall handelt und den Notruf absetzt. Alle zwei Jahre ist eine Auffrischung der Kenntnisse des Erste-Hilfe-Kurses nötig. Der Arbeitnehmer hat darauf zu achten, dass der Ersthelferdie Fortbildung rechtzeitig besucht.

Mehr zum Thema "Ersthelfer im Betrieb" gibt es im Podcast der VGB:

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